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ZeitLebensZeiten
Version 02.00.5
© ZeitLebensZeiten
2007 ff.
 

Wilhelm Nowack - Johanneum Berlin

Im März 1869 absolvierte Wilhelm Nowack sein Abitur mit Bravour. Dass er Theologe werden würde, stand außer Zweifel. Außer Zweifel ist auch, dass dem Sohn eines Handwerkers (Schlosser) hiermit ein gesellschaftlicher Aufstieg möglich war, wobei schon allein das Abitur sicherlich ein Erfolg war. Wie aber sollte der Student Nowack sein Theologiestudium in Berlin voranbringen, wenn der Schlossersohn Nowack dafür wahrscheinlich nicht genug Geld und kein hinreichendes Umfeld hatte.

Am 15. April 1869 begann er sein Studium an der Kaiser Wilhelm Universität mit dem Besuch einer Vorlesung von Prof. Kleinert über die „Psalmen“. Im Abgangszeugnis sind alle besuchten Vorlesungen aufgeführt.

Wilhelm Nowack hat erneut Glück, das „Glück des Tüchtigen“, wie man in diesem Falle mit Fug und Recht sagen kann. Denn: In Berlin wurde die Theologische Stiftung „Johanneum“ gegründet. Ein Wohnheim, nicht nur für auswärtige Studenten, sondern auch für Berliner.

Die Stiftung Johanneum unterhält auf Grund ihres Stiftungszwecks ein Studierendenwohnheim in Berlin (Stadtteil Mitte) mit dem Namen „Johanneum“ vornehmlich für Studierende der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, aber auch anderer Fachrichtungen.

Die Stiftung Johanneum wurde im Jahre 1869 von Leopold Graf Sedłnitzky von Choltiz als freie Stiftung gegründet.

Zweck der Stiftung ist die Unterhaltung eines Studierendenwohnheims für Theologiestudierende der Theologischen Fakultät der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität zu Berlin) in der Artilleriestraße 6A (heute Tucholskystraße 7) in Berlin-Mitte.

In der Stiftungsurkunde heißt es daher:

„Der Königlichen hiesigen Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin schenke ich durch gegenwärtige Urkunde über die errichtete Stiftung, zum Besten Studierender der evangelischen Theologie das in der Artillerie-Straßegelegene Haus sub Nr. 6a.“ Leopold Graf Sedłnitzky von Choltiz.

Der Stifter stattete seine Stiftung zugleich mit einem Kapital von 25.000 Talern aus und verlieh ihr den Namen „Johanneum“. Dem Stifter gelang jedoch nicht die institutionelle Verbindung mit der Alma Mater Berolinensis, sodass dem ersten Ephorus des Johanneums, Isaac August Dorner, diese Aufgabe zukam. Dem Ephorus gelang es schließlich, die juristische Frage zu lösen: Durch Königliche Cabinettsordre vom 22. April 1872 wurde die Stiftung Johanneum als freie und selbstständige Institution anerkannt. [Quelle: de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=109691599]

Die Lage des Stiftes ist bemerkenswert: nördlich der Spree, in gerader Strasselinie hinter der Kaiser Wilhelm Universität (Heute Humboldt-Universität) gelegen. Und Wilhelm Nowacks Zuhause war etwa doppelt soweit entfernt in der Kommandantenstrasse 12 nahe der heutigen Bundesdruckerei.

Durch den Internet-Auftritt des Johanneums  und den Hinweis auf frühe Dokumente ermuntert erbrachte am 26. Oktober 2012 eine Nachfrage die freundliche Antwort  aus dem Inspektorat der Stiftung Johanneum von Dipl. theol. Matthias Mader (Inspektor). So kann an dieser Stelle erstmals die handschriftlich verfaßte Chronik über die ersten Jahre des Johanneums in Berlin, an denen direkt oder indirekt Wilhelm Nowack beteiligt war,  in einer (nicht immer vollständig gelungenen) Übertragung angeboten werden. Die Chronik dokumentiert in einzigartiger Weise das Leben der Theologiestundenten im Deutschen Reich der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
 

18 B2

Nur aufgrund dieser Chronik und gleich aus der dritten Zeile und dem dritten Studentennamen haben wir Kenntnis von der frühen Zugehörigkeit Nowacks zu den Konvictualen des Stiftes, ja  er gehörte zu den ersten 10 Studenten des Johanneum
 

18 B3

Die Übertragung der ersten Absätze der Chronik, die von den Senioren verfasst wurden:

Am 2. November 1869 eröffnete OCR Professor. Dr. Dorner das Konvict Johanneum mit einer herzlichen Anrede an folgende zehn Studenten der Theologie: Jungck(Senior), Kirchner, Nowack, Hoffmann, Lenz, Wagner, Odefey, Boit, Schmidt und den stud. Med. Römpler, indem er den Zweck dieser Anstalt aus dem Namen derselben entwickelte: Johanneum. Wie Johannes Evangelium der „Jünger der Liebe“ .. heißen, so sollten hier ein auf christlicher Liebe basiertes Gemeinschaftsleben tüchtiger Theologen entstehen. Das sei das hohe Ziel, welches der würdige Stifter, Graf Sedlnitzky, früherer Erzbischof von Breslau (1836-1840), mit Gottes Hilfe zu erreichen hoffe.

Dieser selbst sprach sich dann auch einige Tage später, als sich die neuen Insassen schon etwas eingelebt hatten, in ähnlicher Weise aus. Wir dankten ihm in innigen herzlichen Worten für die... Der Anstalt und versprachen, durch Fleiß und frisches Zusammenleben nach Kräften seine Hoffnung zu erfüllen.

Diese Stiftung Johanneum bot nun also Wilhelm Nowack besondere Möglichkeiten auf der Basis jener Vorstellungen [Hervorhebungen des Verfassers], die geradezu idealtypisch auf ihn zutrafen.

In der Ansprache zur Eröffnung des Johanneum begründete der Stifter seine Initiative wie folgt:

„Zum Ankauf und Einrichtung dieses Hauses fand ich mich gedrängt, nachdem ich vielfach wahrgenommen, wie ein großer Theil unserer Theologie-Studierenden, weit entfernt von der Universität, weit zerstreut in der großen geräuschvollen Stadt, oft in sehr ungünstigen Umgebungen leben muss und es daher nicht den rechten Vortheil von der Hochschule zu ziehen vermag. Es musste mir daher wünschenswert erscheinen, wenigstens Einigen derselben, in der Nähe der Universität, unter günstigeren Umgebungen Wohnung anbieten zu können.

[…] Ich hatte hierbei die Absicht, alle Jahre eine Zahl Theologie-Studierender zu vereinigen, von denen es bekannt ist, dass sie in der Kraft des Glaubens und der Liebe beflissen sind, sich für das höhere Lehramt und die Seelsorge vorzubereiten. Ich habe hierbei die Überzeugung, dass diejenigen, die mit dem rechten Ernst nach demselben hohen Ziel streben, sich in gemeinsamer Liebe und Freundschaft vereinigen, sich in allem Guten wechselseitig unterstützen, fördern, ermuntern, erbauen und zu immer zunehmender Vollkommenheit zugelangen streben werden.“ Leopold Graf Sedłnitzky von Choltiz.

Der von dem damaligen Senior verfasste erste Teil Chronik des Johanneums schildert den Alltag im Stift und allerlei sehr anspruchsvolle Rituale.  Zudem erfahren wir durch diese nur minimalst verkürzte Quelle, welche Rolle Wilhelm Nowack im Deutsch-Französischen Krieg spielte.
 

Winter 1869/1870

Nach freier Übereinkunft versammelten wir uns dann täglich zur Morgenandacht und genossen zusammen den Kaffee und das Mittagessen. Die Andacht wurde mit zwei Liederversen eröffnet, ein Abschnitt Heilige Schrift und Kollekte vom Senior verlesen, dass Vater-Unser gemeinsam gesprochen.. und die... Gesungen – alles auf dem Zimmer eines musikalischen Konvictualen, da unser Speisesaal unten und Parterre an der Straße lag, jetzt Wohnung des Ökonomen, und kein Harmonium hatte. Einmal wöchentlich hielt Senior Jungck ein exegetisches Kränzchen, zu welchem sechs Kapitel des Alten und sechs Kapitel des Neuen Testamentes präpariert wurden.

Nach Verabredung lasen die einen den Jesajah, die anderen Propheten min.[Die kleinen Propheten] und alle zugleich Matthäus und Petrus und Johannes Evangelium.

Außerdem vereinigten sich noch einige zum philosophischen Kränzchen und lasen Schleiermachers philosophische Schriften. Herr Professor Dorner aber hatte die Güte, allwöchentlich ins Johanneum zukommen und mit uns die Quellen zur alten Philosophie der Preller und Ritter zu lesen. Außer der Ordnung und Pünktlichkeit wurden uns keinerlei beendende Schranken aufgelegt. Jeder lebte, ging und kam nach seinem Belieben.

Die von Gerretsksche Bibliothek, welche bis dahin von Professor Hengstenberg (gestorben 1869) verwaltet war, jetzt aber im Konvict untergebracht wurde, erleichterte unsere Studien; auch wartet mit der Sammlung einer eigenen Johanneum Bibliothek begonnen, wobei sich, wie an allem, der verehrte Graf und Professor Dorner eifrig beteiligten.

Der bald nach Bildung des Konvictes ins Leben getretenen Gemeinsinn führte die freundliche Sitte ein, den Geburtstag mit den anderen Konvictualen durch gemütlichen Café zu feiern,...
 

Sommer 1870

Das zweite Semester (1870) der Anstalt trug schon viel dazu bei, die einzelnen zusammenzuschließen, die Kränzchen wurden, wie bisher, fortgesetzt und die politischen und kirchlichen Ereignisse mit Interesse aber ohne schroffe Leidenschaftlichkeit erörtert. Neue Elemente traten ein, das Zusammenleben mannigfaltiger gestaltend. Jedes Logement fühlte sich nach und nach als besonderer kleiner Organismus im großen und ganzen seines eigenen Charakters, ohne den Austausch von Geben und Empfangen mit den anderen zu verhindern.

In besonders angenehmer Erinnerung steht die erste größere Schifffahrt auf einem Dampfer nach Pankow, wo sich die Leute an zwangloser Unterhaltung und… Vergnügten.

Das theologische Interesse war ganz auf das (letzte?) Römische Konzil gerichtet, das mit der Unfehlbarkeitserklärung Piu nonis [Papst Pius IX.] der zivilisierten und christlichen Welt einen Rückschlag ins Gesicht versetzte.

Da brach der große deutsch-französische Krieg aus und riss im Nu das ganze Konvict auseinander. Vom Schwung der hoch gesandten allgemeinen Begeisterung gepackt, eilten alle, ihre Dienste dem… Vaterlande anzubieten. Das Johanneum verwandelte sich in eine Station von Soldaten aller Waffen und Regimenter und wir nicht unter die Kombattanten aufgenommen wurde, wollte doch wenigstens als Pfleger helfen. Selbst der damalige Senior Jungck ließ sich trotz seiner verstümmelten Hand und aller..., Trotz seines soeben begonnenen Examens nicht abhalten,... Und Säbel zu ergreifen und die harten Exerzitien der beschleunigten Ausbildung freudig und standhaft mitzumachen. Junck (Sigmaringen), Odefey (Schleswig), Lenz (Kyritz), Bultmann (Oldenburg), Schmidt (Bernstein), Hoffmann (Berlin) machten den Feldzug mit, sämtlich ohne .. zu warten.


Winter 1870/71

Unterdessen (1870/1871) lief das Johanneum unter der Leitung Kirchners, der zuerst als stellvertretender Senior, dann als eigentlicher berufen wurde, seinen ruhigen Gang, freudig alle die glorreichen Ereignisse des erhebenden Nationalkrieges verfolgend.

Zur Hebung des Gemeinschaftslebens wurden Shakespeare – Abende eingerichtet, an denen mit verteilten Rollen gelesen und hernach in gemütlichem Zusammensein darüber gesprochen wurde – die Feier des Geburtstages wurde durch eine „Festzeitung“ mit humoristischem Inhalt erlöst.

Von Michaelis bis Weihnachten 1870 lasen wir Genesis und Römerbrief wie bisher, auch setzte Herr Professor Dorner freundlich seine Versammlungen Sonnabends 7:00 Uhr abends fort, diesmal die Bergpredigt behandeln.

Das Semester wurde noch dadurch interessant, dass zwei Ausländer, der Italiener P. Calvino und der französische Ms. Décembaz in der Anstalt waren, denn natürlich galten ihre Sympathien, die sich mehr oder weniger dem über Wunden in romanischen Volk zuwandten, zu vielen lebhaften Auseinandersetzungen Anlass.

Die hehren Siegestage beginnen wir in patriotischer Fröhlichkeit. Das Semester war sehr gemütlich und Frucht dringend für alle. Die großen Ereignisse verknüpften die Herzen und ließen manchen theologischen Unterschied in der gemeinschaftlichen Freude vergessen. Herzlich schlossen sich die Konvictualen aneinander, so dass selbst schwierige Streitpunkte [theologischer Art]… in brüderlichem Geiste behandelt wurden.

Verschiedene Ausflüge wurden gemeinsam gemacht, ja die Freude am gemeinsamen Leben regte ein Gruppenbild dieses Semesters an, welches im Saale aufgehängt und dem Grafen wie Dr. Dorner zum Stiftfest geschenkt wurde.

Weihnachten 1870 änderte Senior Kirchner die Morgenandacht. Während bisher zwei Liedstrophen gesungen, ein Abschnitt aus Luthers Bibel vorgelesen, und dann ein Gebet aus dem „Morgensegen“ des Brüder-Vereins für Norddeutschland verlesen wurde, beschloss nun der Konvict, dass zwischen zwei Wochen vorher und eine Woche hernach der Reihe nach aus dem griechischen Text des Neuen Testamentes jeden Tag sofort übersetzt, das heißt gleich deutsch herunter gelesen würde. Man wurde dazu bewogen durch den Wunsch alle möglichst zu beteiligen. Jenes Gebetbuch aber wurde wegen seiner kraftlosen Wortfülle abgeschafft. Nach einer Praxis von drei Semestern kann ich bestätigen, wie nützlich und angenehm jene Änderung war. Denn da sich jetzt jeder das am folgenden Tag herankommende oft genau ansah wurde fließend übersetzt und die Lektüre verlor ganz den Charakter des Mühsamen, wir haben so uns das ganze neue Testament ein und fast noch einmal durchgelesen.

Am 25. März 1871 verlor die Anstalt ihren ehrwürdigen Stifter,, den verehrten Grafen. In hohem Alter (83 Jahre) entschlief er sanft und fromm nach kurzem, fast schmerzlosen Krankenlager, bis zum Augenblick treu nur seinem Vaterland und an Gottes Reich hängend. Noch wenige Wochen vor seinem Tode hatte ich die Freude, mich mit dem frischen Greise über Deutschlands Wohl und Wehe, seine Hoffnungen und Gefahren zu unterhalten. Der Greis hatte noch Deutschlands Auferstehung gesehen; noch Anfang März schritt er, treu seiner Bürgerschaft, zur Wahlurne. Bis zum Tode ein Mann, ein Charakter. Die Geschichte seines Kampfes für die Rechte des Staates…Sein Übertritt zur evangelischen Kirche und sein späteres Leben in Berlin als wirklicher geheimer Regierungsrat sind bekannt und durch seine 1872 erschienene Selbstbiografie, ein Denkmal seines Mutes und seiner Demut, für jeden zugänglich. Um unserem verehrten Grafen, den jeder, der in kennen gelernt, auch lieb gewonnen, die letzte Ehre zu erweisen, vereinten wir uns mit den Bewohnern des Paulinums, welche Anstalt auch eine Sedlinitzkische Stiftung ist, und übten einige Choräle ein, die wir im Zimmer Leipziger Straße 17 vor und nach der Trauerrede Dr. Kögels vortrugen. Hernach begleiteten wir die Leiche zum Frankfurter Bahnhof, denn sie wurde von dem alten treuen Diener in die Heimat nach Schlesien geleitet.

Nach Eröffnung des Testamentes zeigte sich, wie der selige Graf ans Johanneum gedacht hatte. Seine schöne Bibliothek und ein Fond von 2000 Talern war die doppelte Gabe, welche die Anstalt eigentlich zum zweiten Male begründete.

Im Kriegswinter 1870/1871 hat Wilhelm Nowack, seinem Abgangszeugnis ist dies zu entnehmen, offenbar ganz normal Vorlesungen gehört. Er war aber wohl auch, wie nachfolgend zu lesen, zu Pflegediensten eingeteilt. Welcher Art diese Pflegedienste waren, ist der Chronik nicht zu entnehmen.

Die Chronik spricht  von einer Rückkehr. Wo sich Wilhelm Nowack in den Kriegstagen aufgehalten hat, ist [] nicht bekannt.
 

Sommer 1871

Mit Anfang des Sommersemesters 1871 war der große Krieg zu Ende. Die tapferen Krieger kehrten in die teilversehrte? Heimat zurück und auch unseres Johanneums Ritter scheint sie ohne Verwundung davon gekommen. Den stud. Herrmann freilich sahen wir nicht wieder, die Strapazen und Krankheiten des Feldzuges machte seinem Leben ein Ende, dass der Wissenschaft und Liebe, der Familie und Freunden geweiht war. Auch der Senior Jungck kehrte nicht ins Johanneum zurück. Siech und gebrochen schleppte er sich in die Heimat,, stets Kräftigung bei schneller Abnahme seiner Kräfte hoffend. Anfang März 1872 starb er getrost in den Armen seiner treuen Mutter. Die Theologie, bekannten wir in unserem Nachruf, „hat an ihm eine hoffnungsvolle Kraft verloren. Auch wir trauern um ihn als unseren früheren Senior, die wir seinen gediegenen Charakter erfahren, seine großen Gaben kennen gelernt haben. Sein Andenken bleibt bei uns in Ehren!“.

Dagegen kehrten Bultmann (Ritter des Eisernen Kreuzes), Hoffmann, Barleben, Pröhls zurück, welche mit gekämpft hatten. Boit, Nowack, Marquardt, welche gepflegt hatten.

Auch dieses Semester war frisch, fröhlich und fruchtbringend. Wir lasen außer den gewöhnlichen Exegetenchen Kränzchen Kant, Religion innerhalb…, Shakespeare ward fortgesetzt. Herr Professor Dorner sprach wieder über die Quellen zur griechischen Philosophie von Ritter und Preller durch. Ganz besonders schön war die große Stiftsspritze [Spritztour] nach Pichelwerder, welche so recht das Gemeinbewusstsein in cherzhaften Reden zur Geltung brachte.

Wegen der größeren Zahl der Mitglieder teilte Senior Kirchner das exegetische  Kränzchen in zwei kleinere, davon erstes jedes Mal sechs Kapitel Jesajah und drei Kapitel Neues Testament (Matthäus) das zweite nur fünf Kapitel Altes Testament las. Die ...zeitung? war auch n Flor? durch die besondere Beteiligung der Bewohner Tule und jenes durch sein Raritäten Kabinett Hof links drei Treppen (Krückeberg und Witting) bewohnten Logements. Auch das Institut des poetischen Anonymus fand Anklang – d.h. bei den gemütlichen Zusammenkünften hörte man öfters Gedichte von ungenanntem Verfasser. 

In den Tagen der Einigung 16. bis 18. Juni 1871 kehrte das Johanneum eine neue schöne Seite hervor: die Gastlichkeit – denn gewiss 40 Studenten und Pastoren bewohnten damals unsere einfachen aber gemütlichen Räume, die übrigens durch einen großen Speisesaal (erste Etage), in welchem auch die Andachten und Kränzchen gestaltet wurden, ein Harmonium und Fahrstuhl für die Speisen gehoben war.


Winter 1871/1872

Das V. Semester Michaelis 1871 bis Ostern 1872 war das schönste, welches wir bisher verlebt haben. Tüchtige Arbeiten der einzelnen und der Gemeinschaft machten auch das gemütliche Zusammensein froh und fördernd. Wir lasen prophetas minores [Kleine Propheten] und Ez[echiel].I. partem, cpp. pastor.et cathol.. Bis Weihnachten vereinigte Spinoza’s tractatus de deo et homine die meisten Konvictualen, nach Weihnachten Melanchthons loci ed 1521 alle um den Senior.

Eine Bibliothekskasse zur Anschaffung neuerer größerer Werke war begründet, indem sich jeder zu einem monatlichen Beitrag von fünf Talern? verpflichtete. Auch Fechtzeug ward beschafft, um nach dem Essen ‚funcibus’ den Körper geschmeidig zu machen. Wieder hat sich das Johanneum fotografieren lassen.

Zu Weihnachten 1871 beschloss es, auf Antrag des Senior, alle Mittag nach Tisch einen Psalm Hebräisch der Reihe herum zu lesen; zuerst ging’s natürlicherweise [holprig], nach und nach besser. So haben wir Semester 72 die 150 Psalmen und Deutero-Jesajah gelesen, allen zu merklichem Nutzen.

Trotz der kühleren Witterung machten wir einige Spritzen, nach Charlottenburg u.a.m., An denen, wie an den Kränzchen, selbst Freunde sich beteiligten: cand. Weitbrecht aus  Fugls?. E. Baumgarten aus Gups?, E. Lawrence aus America.

Zu Weihnachten schenkten wir im Herrn Professor Dorner ein Album mit unseren Bildern und dem Versprechen, dass alle künftigen ebenfalls im Bild dazu liefern würden. [Hoffentlich] hilft diese Notiz, unser Versprechen zu erfüllen.

Am 15. Oktober 1871 war die Oktober Versammlung des evangelischen Kirchentages, an denen wir wiederum unsere Räume den Mitgliedern desselben öffneten. Folgende Pastoren haben hier logiert: Barnick aus Wuticke? bei Kyritz, Wildenhahn aus Begersdorf, Drude aus Döberitz, Kirchner aus Elsholz, Franke aus Stiberlein?, Kirchner aus Waltersdorf, Sanwitz aus Seedorf, Werner aus Nietebork, Kolde aus Langenöls, Gebalke aus Colberg, Linnert aus Liesar, Bertling aus Hadersleben, Rudel aus Königsbruck, Schürmann aus Capellen.

Als Zeichen brüderlichen Gemeinsinns kreiste an Geburtstagen aufs Wohl des Feiernden ein Kristallbecher, einer dem anderen zu trank. Am Schluss des Semesters schließen wir mit Dankbarkeit und fröhlicher Erinnerung an die schöne Zeit gemeinsamen Singens und Arbeitens.
 

Sommer 1872

Sommer 1872 war mehr in Arbeit als gemeinsamen Abenden hingebracht, denn sehr viele standen vor oder in dem Examen. Auch der Senior hatte sich auf seine Lizenziaten- Dissertation zu konzentrieren. .... las man eifrig zusammen Kant, Metaphysik der Sitten (Grundlegung) und Cartesii meditationes de prima philosophia, , Shakespeare alle Sonnenabende, ebenso Ritter – Preller bei Professor Dorner. Morgens Neues Testament, mittags Altes Testament, wöchentlich exegetische Kränzchen. Hier brachte erst ein kurzes Referat und Co. Referat über wichtige Stellen des Pensums (6cpp AT, 3 NT) durch zwei vom Senior im vorigen Kränzchen Bestimmte gehalten. Diese Einrichtung, damit auch Schüchterne zur Meinungsäußerung kämen, getroffen, hat sich trefflich bewährt. So haben wir diesen Sommer Genesis und 20.Joh sowie Römerbrief traktiert.

Als ein schönes Zeichen des Gemeinbewusstseins ward zu Pfingsten ein gemeinsamer Ausflug nach Rügen unternommen, zudem sich leider nur sieben begütert genug fanden (Kirchner, Baumgarten, Bultmann, Barleben, Rademacher, Medow, Wegener – die sieben Schwaben), die aber sehr schöne Wandertage miteinander erlebten und sich in Ernst und Scherz nahe gekommen sind.

Diesmal ward nach Köpenick und Müggelsee von Stiftstagen gespritzt und viel Spaßhaftes angegeben.

Als wir schließlich am 6. August die Abschieds[feier] hielten, zeigte die ernste, innige d Unterhaltung, die Dankesrede welche die Scheidenden, die Gelübde, welche die bleibenden dem Johanneum darbrachten, dass unser liebes Konvict in seiner kurzen Lebenszeit zu einer kräftigen auf Arbeit und herzliches Wohlwollen gegründeten Anstalt emporgeblüht ist, die für jeden Bewohner bisher eine Quelle reichen Segen gewesen ist.

Möge das Johanneum ferner unter Gottes gnädigem Schutz bleiben. Mögen Leiter und Mitglieder nie vergessen, dass diese Anstalt, je nach dem Geiste, der in ihr wohnt, ein Aggregat von Wohnungen mit gemeinsamer Mahlzeit oder ein lebendiger Organismus von Jünglingen sein kann, die, begeistert für die Wahrheit und Gottes Ehre, tüchtig zusammenarbeiten und sich dann, weil ihrer Pflicht genüge getan, auch zusammen freuen können. Arbeit und Liebe, Wahrheit und Frömmigkeit sind Deine Säulen, mein geliebtes Johanneum.
Berlin 19. Februar 1872, F. Kirchner, Senior 1870-1872 [Chronik des Johanneums – Quelle: Johanneum Berlin 26.10.2012]

 

Nach dem Abschluß seines Studiums, der anschließenden Promotion in Halle übernahm Nowack die Rolle des Inspektors bzw. Seniors im Johanneum.